Land*Stadt Transformation gestalten
Das inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekt Land*Stadt Transformation gestalten zielte darauf an, die dichotome Verständnisse und Zuschreibungen zwischen urbanen Zentren und dem ländlichen Überbleibsel aufzubrechen. Dafür wurde theoretisch zu Stoffströmen, Planungsinstrumenten oder Zukunftsbildern zwischen Land und Stadt gearbeitet, gleichzeitig praktisch in vier Reallaboren in Stadt-Landkontexten aktivistisch geforscht: zu Arbeits- und Lebensmodellen, Bildungsanlässen in Regionen sowie zu Ernährungs – und Bodenfragen. Vier Jahre wurde das Projekt von der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des experimentellen Programms “Urbane Transformationen gestalten” gefördert.
Transformative Zelle als Werkzeug
Über Stadt und Land hinaus zu schauen, bisherige Denk- und Planungsweisen abzustreifen, erfordert neue Lesarten. Es bedeutet, mit anderen Sehhilfen auf Raum- und Sozialgefüge zu schauen. Dafür entwickelten wir im Forschungsprojekt die Transformative Zelle, mit deren Hilfe transformative Verortungen in ihrem systemischen Zusammenhang und losgelöst von Entweder-Oder-Zuschreibungen zwischen Stadt und Land erkannt, beschrieben und gezeigt werden können. Sie diente uns als Kommunikationswerkzeug im interdisziplinären Forschungsprozess, um zu einer vergleichende Beschreibbarkeit der unterschiedlichen Konfigurationen in den Reallaboren zu kommen. Andererseits wurde mit dieser Sehhilfe das Ziel verbunden, Menschen und Gruppen innerhalb solcher transformativen Zellen ein Erkenntnis- und Reflexionswerkzug bereitzustellen, mit dessen Hilfe sie ihr transformatives Handeln erkennen, beschreiben und an Diskurse anschließen können.
Aktivistisches Forschen auf dem Land
In Brandenburg, im Dorf Stolpe an der Oder, führten wir von 2018 – 2020 eines der Reallabore durch. In einer Region, die lange Zeit von Abwanderung geprägt war, stoßen Raumpioniere seit langem Transformationsprozesse an, gestalten die Region über Kulturprojekte oder ökologische Land(-wirtschafts)ansätze. Ein ehemaliges Betonfertigteilewerk dient einer dieser Gruppen seit 2016 als Ort, an dem sich die diese Raumproduktionen verfangen, verstetigen und mit neuen Akteur*innen innovativ weiterentwickeln sollen. Ein Arbeits-, Lebens- und Kulturort auf dem Land ist im werden.
In dem komplexen und dynamischen Entwicklungsprozess mit sehr unterschiedlichen Akteur*innen stießen wir unterschiedliche räumliche Interventionen an, die Zukunft vor Ort prototypisch austesten. Damit war in erster Linie das Ziel verbunden, Gemeinschaft herzustellen und Gelegenheiten des Miteinanders zu schaffen. Es entstand unter anderem ein 120 Quadratmeter großer, essbarer Garten als Agroforstsystem. Dafür wurden in einer symbolischen Aktion die überhitzten Betonbodenplatten des Geländes aufgebrochen. Auch ein Gemeinschaftsort konnte ko-kreativ geplant und realisiert werden, das sogenannte Powerhouse. Darüber hinaus wurden andere interne und externe Kommunikationsformate initiiert, unter anderem ein Dorfmagazin.
Concrete Transformation Festival
Auf dem Gelände des Betonwerks veranstalteten wir im Mai 2019 ein Forschungsfestival, um mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft, aber auch mit Sozialunternehmerinnen und Aussteigern gemeinsam an den Fragestellungen des Projekts zu arbeiten und die Themen konkret sichtbar zu machen. In zwei Wochen wurde der Ort nach und nach in einen Zukunftsort verwandelt und über unterschiedliche Formate belebt. Am finalen Wochenende – Ende Mai – liefen die Fäden zusammen. An zwei Tagen kamen alle Forschungspartner*innen zusammen und arbeiteten mit verschiedensten Expert*innen am Projekt. Parallel drehte sich in Workshops, Paneldiskussionen, Performances und beim Tanzen alles um Stadt-Landverhältnisse, Regionalentwicklung und das Betonwerk als Ort inmitten der sozial-ökologischer Transformation. Ungefähr 250 Gäste zählten wir über das Wochenende. 4 Bäume wurden gepflanzt, 400 Post Its geschrieben und ähnlich viele Gin Tonics getrunken.
Ein Zukunftsbild
Über die Zukunft von Stadt und Land wird derzeit viel gesprochen und geschrieben. Um die unterschiedlichen Vorstellungen von Zukunft zu fassen, zu bündeln und zu visualisieren, entstand im Rahmen des Projekts ein analytisches Stadt-Land-Zukunftsbild. Aus unterschiedlichen Studien und anderen fachlichen Wissensquellen extrahierten wir Zukunftstrends und ergänzten diese mit den Erkenntnissen aus Theorie und Praxis aus dem eigenen Projekt. Über die Zuschreibung von ländlich und städtisch ergänzend zu den Raumkategorien ergaben sich differenzierte Beschreibungseinheiten, die unter anderem Aspekte von Ländlichkeit in der Stadt oder auch urbane Entwicklungen abseits der Stadt abbilden können.